20. Oktober 2024
Test: Yamaha Seqtrak – Spielzeug oder ernst zu nehmendes Production-Tool?
Nachdem ich einige Tests, Erfahrungsberichte und Videos zum Yamaha Seqtrak gelesen und geschaut habe, wollte ich mir selbst ein Bild vom Seqtrak machen. Auf jeden Fall scheint das Gerät zu polarisieren: Während die einen begeistert sind, wird von anderen die schlechte Verarbeitung und Bedienung kritisiert.
Um die Frage aus der Headline aufzugreifen: Der Yamaha Seqtrak ist ein ganz fantastisches Spielzeug! 🙂 Aber tatsächlich auch ein sehr gutes Musik-Produktionstool.
Die Funktionen
Was ist der Seqtrak überhaupt? Drum-Computer? Synthesizer? Sequencer? Sampler? MIDI-Controller?
Genau das. Der Seqtrak ist im Prinzip ein All-in-One-System, das genau diese Funktionen in einem Gerät kombiniert. Das bedeutet, dass man mit dem Seqtrak theoretisch auch ohne Computer („DAW-less“) komplette Tracks produzieren, arrangieren und auch live performen kann. Hierfür stehen 5 Spuren zur Verfügung: Drums, 2 Sample-based Synth (z.B. Bass, Piano, Strings, Keys etc.), einen FM-based Synth (Frequenzmodulation – klingt also „künstlicher“ und „technischer“) und eine Sample-Spur.
Die Hardware
Ich kann verstehen, was gemeint ist, wenn in Erfahrungsberichten von „schlechter Materialqualität“ die Rede ist. Der Kunststoff fühlt sich ein bisschen nach „Spielzeug“ an und die Tasten sind vielleicht etwas wackelig. Das hat mich allerdings zu keiner Zeit gestört. Ich finde das Design des Seqtrak ganz großartig, alle Knöpfe lassen sich gut bedienen und auf Grund der Größe lässt sich der Seqtrak auch unterwegs oder auf dem Sofa nutzen.
Die Bedienung
Bevor ich den Seqtrak genutzt habe, war ich sehr skeptisch bzgl. der Bedienung: Kein Display, Tasten auf 5 Seiten des Geräts und einige Doppel- oder Dreifachbelegungen der Tasten. Erstaunlicherweise ist die Bedienung aber deutlich komfortabler als erwartet. Für den Einstieg ist dieses YouTube-Tutorial (https://www.youtube.com/watch?v=lGZRYUbqqw4) zwar im Prinzip unumgänglich, aber nach kurzer Zeit ist die Bedienung erlernt, erscheint logisch und macht richtig Spaß.
Auch sehr hilfreich ist das (inoffizielle) Cheat-Sheet, das freundlicherweise jemand hier zur Verfügung gestellt hat: https://www.elektronauts.com/…pdf
Das Yamaha kein Display verbaut hat, ist wirklich schade. In vielen Fällen wäre ein simple Anzeige z.B. des ausgewählten Presets oder eines aktuellen Werts (z.B. BPM) eine große Hilfe. Um diese Informationen angezeigt zu bekommen, muss man die Seqtrak-App (iOS, Android, Mac) nutzen. Geht auch – ist aber, z.B. auf dem Sofa manchmal auch etwas unhandlich.
Die Produktion von Beats geht mir auf dem Seqtrak, dank des Hardware-Sequencers, deutlich leichter von der Hand als z.B. in Logic Pro. Das Einspielen von Melodien und Akkorden ist direkt auf dem Gerät zwar nicht unmöglich aber etwas umständlich. Glücklicherweise lassen sich natürlich MIDI-Keyboards anschließen (per USB-C oder 5-Pin).
Presets, Klangerzeugung & Sounddesign
Von Haus aus bringt der Seqtrak bereits mehr als 2000 (!) Presets mit, die in folgende Kategorien eingeteilt sind:
Eine komplette Liste aller Sounds, gibt es hier: https://jp.yamaha.com/
Der Klang aller Sounds kann mit einigen Parametern beeinflusst werden: z.B. Pitch, Attack, Decay, HPF, LPF, Reverb, Delay usw. Die Einstellung der Parameter erfolgt über die Drehregler im Sound-Design-Bereich. Der aktuelle Parameter wird dabei auf der Anzeige beleuchtet. Auch hier wäre ein kleines Display wieder eine große Hilfe, denn Parameter wie HPF und einige weitere werden nur als „other“ dargestellt und der aktuelle Wert kann anhand der leuchtenden Punkte nur erahnt werden.
Hier ist also viel ausprobieren, hören und merken angesagt.
Darüber hinaus stehen noch eine ganze Reihe Effekte, wie verschiedene Delays, Distortion, Flanger etc. zur Verfügung, dessen Intensität man via Touch-Feld steuern kann. Das macht großen Spaß und klingt ziemlich gut.
Der Sound
Der Sound des Seqtrak ist, aus meiner Sicht, nicht schlecht – aber auch nicht herausragend. Somit würde ich den Seqtrak nicht als „echtes Stand-alone-Tool“ ansehen. Mit den richtigen DAW-Plug-ins oder externen Effekt-Geräten, klingt der Seqtrak allerdings richtig gut!
Ich nutze den Seqtrak z.B. um Sounds in Logic Pro einzuspielen. Hier reicht häufig ein bisschen „Chorus“ und es klingt richtig voll und satt.
Noch ein Tipp:
Auf https://www.thingiverse.com/thing:6504493 hat jemand einen Handyhalter, der am Seqtrak befestigt werden kann, als Download bereit gestellt. Sehr praktisch.
Fazit
Ich bin begeistert. Musik machen, mit dem Seqtrak macht richtig Spaß und erinnert an das Zocken auf einer Konsole. Das Probieren und Arrangieren geht leicht von der Hand. Besonders die Produktion von Beats, finde ich auf dem Seqtrak deutlich komfortabler als z.B. Logic Pro. Aber auch für schnelle Ideen-Skizzen und Melodien ist der Seqtrak ideal.
Für den relativ günstigen Preis (vor allem im Vergleich zu ähnlichen Geräten von Teenage Engineering) auf jeden Fall sehr empfehlenswert.